Türchen #7

Nach dem Highlight gestern geht es heute zurück in den vermeintlich grauen Alltag. Der heutige Spieler ist ein nordeuropäischer Nationalspieler, der mit 24 in die Bundesliga kam und dort… keinen Eindruck hinterließ.

 

Türchen #7: Gunnar Heidar Thorvaldsson

Momentan sind die isländischen Spieler ja in aller Munde. Eine goldene Generation voller technisch versierter junger Spieler hat sich für die EM 2016 qualifiziert, ein unfassbarer Erfolg für das Land mit 300.000 Einwohnern. Gunnar Heidar Thorvaldsson ist nun ein Spieler, der genau davor aktiv war und auch niemals die technischen Fertigkeiten hatte.

Thorvaldsson kommt von den Vestmannaeyjar, den sogenannten „Westmännerinseln“, die vor der Südküste Islands liegen. Auf den 14 Inseln leben knapp 4000 Menschen, die Verbindung zum Festland besteht per Fähre oder per Flugzeug. Auf diesen rauen Felsen lernte Thorvaldsson das Fußball spielen, natürlich beim Inselklub IBV. 2003 und 2004 wurde er als Nachwuchsstürmer zweimal Torschützenkönig und erweckte so das Interesse anderer Vereine aus der Region.

Der Weg nach Süden

Es ging zu Halmstads BK, in Süden Schwedens. Zum Saisonende im Herbst 2004 musste Thorvaldsson mitansehen, wie sein neuer Klub die sicher geglaubte Meisterschaft noch verspielte. Trotzdem hatte man sich als Vizemeister für den UEFA-Cup qualifiziert. In der KO-Runde vor der Gruppenphase schlug man sensationell Sporting CP, Thorvaldsson steuerte zwei Treffer bei. In der Gruppe war man gegen Hertha, Lens, Sampdoria Genua und Steaua Bukarest aber chancenlos.

Die Auftritte in der Heimatliga und in der Allsvenskan hatten seinen Nationaltrainer aber überzeugt und 2005 durfte Thorvaldsson gegen Italien sein Debüt geben. Insgesamt machte er 24 Länderspiele für sein Land und traf fünfmal.

Hannover

Auch in der Allsvenskan 2005 war Thorvaldsson ein guter Torschütze und wurde auch hier Torschützenkönig. Kein Wunder, dass Ilja Kaenzig von Hannover 96 hier ein Juwel vermutete. Dazu verließen mit Thomas Christiansen und Mohamadou Idrissou zwei Stürmer den Verein. Im Angriff musste Thorvaldsson sich nun gegen Jiri Stajner und Vahid Hashemian behaupten, allerdings hatte er unter Trainer Peter Neururer nicht den besten Stand. Sein erster Einsatz kam am 3. Spieltag von der Bank, als man mit 0:3 gegen Aachen unter die Räder geriet. Wenige Tage später war Peter Neururer entlassen worden, weil 96 mit null Punkten und 3:11 Toren Tabellenletzter war.

In der Hinrunde reichte es nur noch zu einem Kurzeinsatz gegen den VfB. Die beste Chance bekam Thorvaldsson unter dem neuen Trainer Dieter Hecking zu Beginn der Rückrunde. Nach weiteren Joker-Einsätzen gegen Aachen, Wolfsburg und Frankfurt stellte Hecking den Isländer in die Startelf. Gegen Schalke durfte er 72 Minuten spielen, gegen den HSV eine knappe Stunde. In beiden Spielen waren seine Aktionen eher unglücklich, verstolperte aussichtsreiche Situationen und bewarb sich nicht für weitere Spiele. Gerade das HSV-Spiel – ein 0:0 – bleibt hauptsächlich wegen der Dreifachparade von Robert Enke kurz vor Schluss in Erinnerung, statt einer besonderen Aktion eines Angreifers.

Skandinavien

Den Rest der Saison verbrachte Thorvaldsson auf der Tribüne und wurde nach sieben Bundesligaspielen im Sommer nach Vålerenga verliehen. In der 2. Hälfte der Tippeligaen-Saison 2007 traf er zweimal, dazu kamen zwei weitere Tore in der ersten Saisonhälfte 2008 in Norwegen. Er spielte regelmäßig und hatte eher sein Niveau gefunden, im Anschluss an diese Leihe ging es aber in das nächste skandinavische Land, nach Dänemark. Hannover 96 konnte knapp 150.000 Euro der investierten 500.000 Euro Ablöse von Esbjerg fB wieder reinholen. Bei Esbjerg lief es ganz okay für ihn, er bekam ordentliche Einsatzminuten, traf aber das Tor viel zu selten. Deswegen wurde Thorvaldsson im Januar 2010 in die englische 2. Liga zum FC Reading ausgeliehen. Das war aber auch kein großer Erfolg, er kam nur zu vier Einsätzen. Nach seiner Rückkehr nach Dänemark ging es direkt wieder weiter zu Frederikstad, zurück nach Norwegen, um dort beim Rest der Saison auszuhelfen. Beim Zweitligisten traf er bei den restlichen Ligaspielen und in der Relegation, um dem Verein aus dem Süden Norwegens den direkten Wiederaufstieg zu ermöglichen.

Ausflug in die Türkei

Im Januar 2011 wurde sein Vertrag in Dänemark aufgelöst und Thorvaldsson begann sich umzusehen. Mit Ende 20 war die große Karriere in den großen Ligen Europas nicht mehr möglich, aber in den Ligen Schwedens und Norwegens war er begehrt. Der Aufsteiger IFK Norrköping sicherte sich seine Dienste für mehrere Jahre. In der ersten Saison schoss Thorvaldsson acht Tore, 2012 waren es sogar 17 Treffer für die Schweden. Als er in der Hinrunde 2013 in 15 Spielen neun weitere Tore erzielt hatte, wurde Konyaspor hellhörig und unterbreitete dem nun 31-Jährigen ein Angebot. Für zwei Jahre sollte er in der Süper Lig für den Aufsteiger knipsen. Es reichte aber nur zu einem einzigen Tor gegen Gençlerbirliği und zum Saisonende kehrte er zurück in die skandinavische Heimat.

Für BK Häcken absolvierte er 12 Spiele im Rest der Allsvenskan 2014 und schoss zwei Tore, 2015 erreichte er mit dem Göteborger Klub das Pokalhalbfinale, schied dort aber gegen den Lokalrivalen IFK aus. Im Sommer 2015 zog es den mittlerweile 33-Jährigen zurück zu seinem Heimatverein IBV, zurück auf die Felseninseln. Mit vier Treffern in den letzten Monaten konnte er den Nichtabstieg sicherstellen.

Eine echte #h96legende.

 

Noch jemand?

Dieses Mal sind noch einige andere Kollegen da. Als erstes wäre František Rajtoral zu nennen, der im Januar 2014 Hiroki Sakai auf der Rechtsverteidigerposition Konkurrenz machen sollte. Nach einem starken Spiel gegen Gladbach nahm die Leistung mit den nächsten Spielen spürbar ab, so dass er meist wieder auf der Bank Platz nahm. Er spielt jetzt wieder für Viktoria Plzeň, momentan auch nur auf der Bank, aber immerhin noch international in der Europa League.

Ein weiterer Wintertransfer war Élson, der Brasilianer aus Stuttgart. Nachdem die Stuttgarter ihn schon überall in Brasilien verliehen hatten, griff Jörg Schmadtke im Januar 2010 zu, um die Horror-Saison zu retten. Er schoss ein Tor gegen den SC Freiburg und hätte auch noch mehr Einsätze gehabt, aber nach seinem siebten Spiel, dem 4:2 gegen Schalke, riss er sich das Innenband im Knie und sah die Rettung von der Tribüne aus, bevor es wieder zum VfB ging. Von da ging es über Rostov zurück nach Brasilien, wo er jetzt im Ruhestand ist.

Nicht vergessen werden soll Jonas Troest, ein junger Verteidiger, der im Januar 2006 aus Dänemark zum Klub kam. Nach zwei kompletten Spielen in der Rückrunde 05/06 kamen noch fünf Kurzeinsätze. Im Januar 2007 ging er wieder zurück nach Dänemark, wo er durch mehrere Vereine tingelte und jetzt mit 30 Jahren bei AB in der 2. dänischen Liga spielt.

 

Türchen #1 – Daniel Haas (1 Spiel, 0 Tore)
Türchen #2 – Marius Stankevicius (2 Spiele, 0 Tore)
Türchen #3 – Henning Hauger (3 Spiele, 0 Tore)
Türchen #4 – Adrian Nikci (4 Spiele, 1 Tor)
Türchen #5 – Abel Xavier (5 Spiele, 0 Tore)
Türchen #6 – Jan Simak (6 Spiele, 2 Tore)

Türchen #5

Fußballer lassen sich ja generell in verschiedene Kategorien einteilen: Da gibt es die Vereinstreuen, die ein Leben lang von der F-Jugend bis zu den Altherren beim selben Verein spielen, jeden Mitarbeiter und deren Familien kennen und immer ein offenes Ohr für die Anliegen der Fans „seines“ Vereins haben. Dann gibt es die Karrieristen, die zwar durchaus loyal sind, sich aber bei einem Angebot eines besseren Vereins verabschieden, aber nicht müde werden zu betonen, wie toll die Zeit bei dem vorherigen Verein doch war. Dann kommen die Söldner, das ultimative Feindbild eines jeden Fans, der am Stammtisch ernst genommen werden will. Das sind die Spieler, die nach wenigen Spielen nur das große Geld sehen und immer nur Kohle, Kohle, Kohle scheffeln wollen, ob beim Heimverein oder dem Erzrivalen.

Und dann gibt es noch die Wandervögel. Solche Typen, die über das Stadium des Söldners hinaus gewachsen sind. Deren Karrierepfad als Kneipenquiz dient, deren Art und Eigenheiten kultig geworden sind.

Einer der berühmtesten Wandervögel des 21. Jahrhunderts machte auch in Hannover halt.

Türchen #5: Abel Xavier

Um seine Herkunft ranken sich Mythen. Okay, das ist leicht übertrieben. Abel Luís da Silva Costa Xavier wurde in Mosambik geboren und zog als Kind mit seiner Familie nach Portugal. Dort lernte er das Fußball spielen und vor allem das Verteidigen. Man kann aber durchaus sagen, dass ihm das Wandern im Blut lag. War es zunächst nur der Umzug von der Ex-Kolonie auf das europäische Festland, führte sein Weg danach durch fast alle Profiligen Europas.

Zunächst wurde er zu einem waschechten Verteidiger ausgebildet, zunächst bei Estrela Amadora, einem Verein, der mittlerweile nur noch portugiesischer Drittligist ist. Mit 21 meldete sich der große Nachbar aus Lissabon, Benfica. Xavier wurde Nationalspieler und wurde mit Benfica 1994 portugiesischer Meister. 1995 ging es nach Italien, zum FC Bari. Dort machte er nur acht Spiele und der Verein stieg zum Saisonende ab. Xavier wandte den Blick zurück Richtung Westen und fand Real Oviedo in der spanischen ersten Liga. Dort war er zwei Jahre lang Stammkraft in der Innenverteidigung und schaffte es in beiden Spielzeiten, gerade so den Abstieg des Traditionsvereins zu verhindern.

Niederlande, England, Türkei

Im Sommer 1998 meldete sich PSV Eindhoven und verpflichtete den mittlerweile gestandenen 25-jährigen Portugiesen. Mit den Niederländern spielte er Champions League und wurde Tabellendritter. Während der Saison fiel er allerdings mit Knieverletzungen viele Wochen aus. Das hielt den FC Everton aber nicht davon ab, ihm ein Vertragsangebot zu unterbreiten und ihn auf die Insel zu holen. Dort verbrachte er zweieinhalb Spielzeiten – fast schon ein Rekord – machte in der Zeit aber wegen verschiedener Verletzungen nur knapp über 40 Spiele. Im Winter 2002 meldete sich trotzdem Evertons großer Bruder, der Nachbar von der Anfield Road. Der FC Liverpool war wohl auf die spektakulären Frisuren aufmerksam geworden und wollte sein Profil schärfen. So machte Abel Xavier die paar Meter quer durch die Stadt und wurde ein „Red“. Zwar konnte er in der Rückrunde in der Zwischenrunde der Champions League etwas aushelfen und auch in der Liga etwas zum zweiten Tabellenplatz beitragen, allerdings spielte er in der nächsten Saison überhaupt keine Rolle mehr und trug seine Frisuren nur noch auf der Tribüne zur Schau.

Im Januar 2003 wurde er für sechs Monate an Galatasaray ausgeliehen, dort machte er immerhin elf Spiele. Er verbrachte ein weiteres halbes Jahr auf der Tribüne an der Anfield Road, bevor der Ruf erklang, der sein Leben verändern sollte…

„Hat der Typ geile Haare!“ – @follix

Ricardo Moar ist ja eine der Lichtgestalten, die es bei Hannover 96 zum Posten des Sportdirektoren geschafft haben. Und dieser sah in der Winterpause der Saison 2003/04 seine Chance, einen echten Weltstar zu angeln. Einen Nationalspieler vom FC Liverpool, was konnte da nur schief gehen? Hannover stand im gesicherten Mittelfeld auf Platz 11, Trainer Ralf Rangnick wird sich wie Bolle über diese Verpflichtung gefreut haben.

Am 20. Spieltag durfte Xavier das erste Mal auflaufen, seine weiteren Spiele für Hannover geschahen an den Spieltagen 21, 22, 23 und 34. Ich habe mal die „kicker“-Noten konsultiert: 5; 5; 6; 5,5; 4,5. Das macht einen Notenschnitt von 5,2. Das ist nur so mittel. In den Spielberichten zu den Spielen lassen sich wenige positive Aspekte finden. Er war schlichtweg überfordert. Dafür schillerte seine Frisur schöner denn eh und je.

Italien, England, USA

Die Zeit bei Hannover war also wirklich keine erfolgreiche. Kein Wunder, dass er nach dem Abstecher an der Leine zunächst einmal vereinslos war, bevor im Januar 2005 der AS Rom zugriff und Xavier in seine Dienste stellte. Spielen tat er aber kaum und im Sommer 2005 war er schon wieder weg. Zurück nach England, wo er ja in der Liverpooler Gegend schon seine größten Erfolge gefeiert hatte. Es sollte alles wieder gut werden, aber es wurde nur noch schlimmer. Nach der 1. Runde des UEFA-Cups gegen Skoda Xanthi wurde er beim Dopingtest auf ein anaboles Steroid positiv getestet und für ein Jahr gesperrt. Im November 2006 durfte er wieder anfangen zu spielen und machte noch bis zum Saisonende ein paar Partien, bevor er im Sommer 2007 in die USA wechselte und dort bei Los Angeles Galaxy seine lange Karriere mit 35 beendete.

Mittlerweile ist Abel Xavier zum Islam konvertiert, nennt sich Faisal Xavier und widmet sich nach eigenen Angaben jetzt humanitären Aufgaben. Zaghafte Bemühungen, in der Welt des Coachings Fuß zu fassen, ließ er schnell wieder bleiben.

Eine echte #h96legende.

Noch jemand?

Neben Abel Xavier soll hier noch auf Außenverteidigerlegende Joao Pereira hingewiesen werden, der es in der vergangenen Rückrunde ebenfalls auf fünf Einsätze brachte und dabei sogar einen Platzverweis kassierte. Ansonsten bleibt von Pereira nur in Erinnerung, dass er nach dem Rauswurf von Korkut cool seine neuen Treter bei Instagram postete. Pereira spielt aktuell wieder bei Sporting in Portugal.

Auch Deniz Kadah soll nicht vergessen werden. Der mittlerweile 29-Jährige war Hannover-II-Spieler, bis Mirko Slomka ihn in der Rückrunde 2013/14 in den Profikader berief. Dort reichte es für fünf Kurzeinsätze ohne Torerfolg. Im Sommer 2014 wechselte er in die Türkei zu Rizespor und hat dort in der laufenden Saison fünf Tore in 12 Ligaspielen erzielt.

Türchen #1 – Daniel Haas (1 Spiel, 0 Tore)
Türchen #2 – Marius Stankevicius (2 Spiele, 0 Tore)
Türchen #3 – Henning Hauger (3 Spiele, 0 Tore)
Türchen #4 – Adrian Nikci (4 Spiele, 1 Tor)

Türchen #2

Nachdem der Auftakt gestern so gut geklappt hat, geht es gleich weiter mit…

Türchen #2: Marius Stankevicius

Marius Stankevicius ist wahrscheinlich der erfolgreichste 96er der jüngeren Geschichte. Zwei Einsätze, 80 Minuten Gesamtspielzeit: 6 Punkte. Volle Ausbeute. Damit ist Stankevicius vermutlich Tayfun Korkuts Königstransfer.

Stankevicius kommt aus Kaunas, einer Stadt, welche Anfang der 80er Jahre noch Teil der UdSSR war. 1990 – als Stankevicius neun Jahre alt war – erklärte Litauen im Zuge der Perestroika nach den ersten freien Wahlen die Unabhängigkeit. Kaunas, damals wie heute zweitgrößte Stadt des Landes, war aber nicht der Ort, an dem Stankevicius das Fußball spielen lernte. Er zog dafür nach Panevėžys, zum FK Ekranas, und durchlief dort in den 90er Jahren die Jugendabteilung und stieß schnell in die erste Mannschaft. Als junger, großer Innenverteidiger erweckte er die Aufmerksamkeit italienischer Vereine und zog in die große Fußballwelt, um in der Serie A seinen Weg zu gehen.

Brescia und Nationalmannschaft

Mit 20 Jahren landete er in der Lombardei bei Brescia Calcio, einem Verein, der mit ziemlicher Regelmäßigkeit zwischen Serie A und Serie B pendelt. Stankevicius wurde zunächst verliehen, schaffte es dann aber, sich einen Stammplatz zu ergattern und spielte über 170 Mal für die „Biancazzurri“, natürlich in beiden Ligen. Zur gleichen Zeit wurde er auch Nationalspieler. Insgesamt 67 Spiele bestritt er für Litauen, schoss dabei vier Tore. Gleich sein viertes Länderspiel war ein EM-Qualifikationsspiel zuhause in Vilnius gegen die deutsche Nationalmannschaft, welche frisch gebackener Vizeweltmeister war. Er spielte als Rechtsverteidiger und sorgte mit einem Eigentor für den 0:2-Endstand.

Sampdoria, Sevilla, Valencia – die Glanzzeit

2008 spielte Brescia in der zweiten Liga, Stankevicius aber überzeugte. Der Nationalspieler wurde in diesem und dem nachfolgendem Jahr “Litauens Fußballer des Jahres”, traf dreimal in der WM-Qualifikation 2010, trotzdem reichte es in der Gruppe nur zu Platz 4. Er spielte aber nicht mehr in Brescia. Sampdoria Genua hatte im Sommer 2008 3 Millionen Euro auf den Tisch gelegt und sich die Dienste des nun 27-Jährigen gesichert. Er war zu einer sicheren Bank in der Defensive geworden, sei es als Innenverteidiger oder als rechter Außenverteidiger. Sampdoria hatte große Hoffnungen, spielte als Tabellensechster international. Zum Ende der Saison 08/09 stand der Klub mit dem Litauer in der Startelf aber nur auf Platz 13. Im Winter der kommenden Saison wurde Stankevicius zum ersten Mal nach Spanien verliehen, zum FC Sevilla. Dort half er als Stammspieler mit, dass Sevilla Tabellenvierter wurde und sich erneut für die Champions League qualifizierte. Er kehrte jedoch nur kurz zum Koffer tauschen nach Genua zurück, 10/11 spielte er die komplette Saison in Spanien – allerdings beim FC Valencia. Er konnte also nicht mit Sevilla gegen Hannover 96 antreten, die durch Jan Schlaudraff gegen jene Mannschaft den Grundstein für den größten europäischen Erfolg legten.

Rom und die Türkei

Bei Valencia machte er 21 Spiele und kehrte mit nun 30 Jahren zurück nach Genua. Dort ging gerade die Welt unter. Genua war abgestiegen, nur wenige Jahre nach Europapokalgenüssen. Stankevicius hatte durchaus berechtigte Ansprüche, erstklassig zu spielen und so ging er für 800.000 Euro nach Rom zu Lazio. Während der zwei Jahre lief aber wenig richtig für ihn. Das Alter holte auf, immer öfter hatte er wegen muskulärer Probleme und vor allem Schmerzen in der Achillessehne sorgten dafür, dass er nur wenige Einsätze erhielt und sich nach Vertragsende eine neue Herausforderung in der Türkei suchte.

In Anatolien bei Gaziantepspor spielte er regelmäßig, die Knochen hielten wieder ganz ordentlich. Um ihn herum war es aber ganz und gar nicht ruhig. Gaziantepspor spielte von Beginn der Saison bis zum letzten Spieltag um den Abstieg, in der Saison hatte Stankevicius drei Trainer, die Rettung geschah erst in letzter Minute. Mit nun knapp 33 Jahren schaute der Litauer sich noch einmal um, ob ein Klub dem vereinslosen Verteidiger nicht eine neue Heimat geben wollte. Und als er schon dachte, “die Spielzeiten in Europa beginnen ohne mich”, kam…

Hannover 96

Am 11. August 2014 wurde Stankevicius präsentiert – als Backup für den Backup – weil sich André Hoffmann das Kreuzband gerissen hatte. Für Stankevicius gab es die Rückennummer 18, einen Vertrag bis Saisonende und zunächst einmal zwei Spiele für Hannover II – gegen Werder II und Cloppenburg. Danach wurde er direkt in den Kader berufen und schaute sich die ordentliche Hinrunde unter Tayfun Korkut auf der Bank an. Doch dann – ausgerechnet vor dem Spiel bei Borussia Dortmund – meldete sich Hiroki Sakai ab und der Posten auf der rechten Abwehrseite musste gefüllt werden. Stankevicius stellte sich der Herausforderung und lief am 9. Spieltag als Rechtsverteidiger auf.

Groß war die Hoffnung unter 96-Fans bei dem Spiel nicht: Erst musste Christian Schulz Linksverteidiger spielen, Felipe begann ein Spiel in der Innenverteidigung, und dann musste auch noch Sakai durch den Backup ersetzt werden, der kurz vor dem Karriereende zu sein schien. Ich stand an dem Tag im Auswärtsblock im Westfalenstadion und hoffte zumindest auf ein schönes Spiel. Und das sollte ich bekommen: Es waren wenige Sekunden gespielt, da holte Stankevicius Einwürfe aus seinen Oberarmen, wie sie zuletzt Michael Tarnat durch 96-Spiele geschleudert hatte. Halbfeldflanken von außerhalb des Spielfelds, punktgenau auf Leo Bittencourt. Ein Traum. Defensiv hatte der 33-Jährige natürlich wenig gegen einen gewissen Marco Reus entgegenzusetzen und er versuchte es auch gar nicht über Manndeckung, sondern versuchte die Passwege zuzustellen, vor allem ging es darum, die Diagonalbälle abzufangen. Das ging einige Male ordentlich schief und alleine der Verfassung des BVB in der Hinrunde war es zu verdanken, dass es glimpflich ausging. Nach 72 Minuten, Hiroshi Kiyotake hatte gerade für die Führung gesorgt, da meldete sich Stankevicius Oberschenkel. Reus hatte ihn deutlich über die Belastungsgrenze gebracht. Korkut brachte Maurice Hirsch und Manuel Schmiedebach durfte das Spiel als Rechtsverteidiger über die Runden bringen.

Stankevicius war nun erst einmal außer Gefecht, stand aber dennoch über den weiteren Saisonverlauf regelmäßig als Alternative auf der Bank zur Verfügung. Die ersten Spiele der Ära Frontzeck verpasste er mit Rückenproblemen, doch am letzten Spieltag, als es um alles ging, und der SC Freiburg alles in Bewegung setzte, um nicht doch noch den Ausgleich zu schaffen, war der Litauer da. Nachdem nur noch zehn Minuten zu spielen waren und die Mannschaft 1:0 führte, beschloss Frontzeck, alle Verteidiger einzuwechseln. So machten Kiyotake und Andrööösen Platz für Felipe und Stankevicius und ein Raunen ging durch das Niedersachsenstadion. Es war doch noch viel zu viel Zeit zum Mauern. Und das konnten wir doch eh nicht. Es spielten jetzt Zieler – Albornoz, Schulz, Felipe, Marcelo, Stankevicius, Sané, Schmiedebach, Stindl – Karaman, Briand in einem 5-3-2 gegen Freiburg und vor allem gegen die Zeit. Natürlich hatte der Trainergott vorausgesehen, dass nur 100 Sekunden später Pavel Krmas das dümmste Eigentor des Jahrzehnts schießen sollte und man nun ein 2:0 verteidigen konnte. Und Gott sei es gedankt, denn Nils Petersen machte ja noch das 2:1 in der Nachspielzeit. So war es aber, dass der Vorsprung hielt und der Abstieg abgewendet worden war. Die Ehrenrunde glich einem kollektiven Ausatmen.

Zurück nach Spanien

Und Stankevicius? Der wusste, dass seine Zeit in der Bundesliga vorbei war. Nie hatte er gemeckert, das wäre auch gar nicht seine Art gewesen. Aber so ganz mit Fußball aufhören wollte er auch noch nicht. Zum Glück hatte er sich in seinen zwei Jahren ein paar Kontakte in Spanien erarbeitet. Der FC Cordoba war desaströs aus der ersten Liga abgestiegen und brauchte nun ein paar neue Kräfte, die beim Wiederaufstieg helfen konnten. Und so spielt Marius Stankevicius nun seit dem Sommer in Cordoba und lässt es sich gut gehen. Wenn er nicht gerade muskuläre Probleme hat – wie seit vergangenem Wochenende mal wieder – bespielt er die Rechtsverteidigerposition seit eh und je.

Eine echte #h96legende.

Noch jemand?

Gestern tauchte der Name Morten Jensen hier auf, der das Spiel nach Daniel Haas bestritt. In seiner Zeit bei 96 machte er noch ein zweites Spiel, am 17. Spieltag der Saison 08/09 gegen Arminia Bielefeld. Ein nicht weiter erwähnenswertes 1:1. 2010 ging der Husumer, der seit der B-Jugend 96er war, nach Kassel. Von da aus transferierte er weiter über Holstein Kiel nach Elversberg. Dort, in der Regionalliga Südwest, spielt der heute 28-Jährige als Stammtorhüter in der 4. Liga.

In der Saison 14/15 tauchte auch Stefan Thesker kurz bei Hannover 96 auf. Im Sommer von Korkut aus Hoffenheim geholt, machte der Verteidiger als Ersatz für Prib und Albornoz links hinten gegen Frankfurt und vor allem gegen Hertha keine schlechte Figur, war in der Winterpause aber schon wieder verschwunden. Ablösefrei geholt, wurde er für 100.000 Euro an Greuther Fürth abgegeben. Dufners Meisterstück. Mittlerweile spielt der 24-Jährige dort relativ regelmäßig. Entweder als Innen- oder als Linksverteidiger.

 

Morgen wird das dritte Türchen geöffnet. Gespannt?